Von Reinhard Bogena
Mit dem Älterwerden sieht man im Laufe der Jahre viele Musiker kommen und gehen. Was bleibt, sind einzelne Songs und damit Erinnerungen - an Menschen, Erlebnisse oder einfach nur an eine bestimmte Zeit. Für viele Musikliebhaber ist die Band „The Alan Parsons Project'' Teil der eigenen Vergangenheit. Das erste Mal hörte man von dieser Formation etwa um 1976. Wenige Monate zuvor hatte sich der Tontechniker, Musikproduzent und Musiker Alan Parsons mit dem im selben Metier tätigen Eric Woolfson zusammengetan, um eine Band zu gründen, die allerdings „nur" als eine Art Projekt mit bedarfsweise wechselnden Musikern geplant war. Das war wohl auch der Grund, weshalb es zwar Videos, aber keine Live-Auftritte gab - zumindest nicht bis 1993, später dann unter dem Namen „Alan Parsons Live Project“
Parsons (geboren 1948) hatte im Studio bereits für die Beatles gearbeitet und war darüber hinaus ebenso am legendären Pink-Floyd-Album „The Dark Side of the Moon" (erschienen 1973) maßgeblich beteiligt gewesen. Auch Woolfson war in der Musikszene als Komponist und Songschreiber kein Unbekannter. Der 1945 Im englischen Glasgow geborene Musiker hatte es schon sehr früh zu besonderen Fähigkeiten im Klavierspielen gebracht, was ihm entscheidende Kontakte vermittelte. Die wiederum führten dazu, dass bekannte Namen wie Chris Farlowe und Marianne Faithfull einige seiner Kompositionen veröffentlichten.
Obwohl die Band nur nach Alan Parsons benannt ist, soll Woolfson als Mann im Hintergrund die eigentliche Kraft gewesen sein. So verdanken wir ihm das Konzeptalbum, das sich mit den Werken des amerikanischen Schriftstellers Edgar Allan Poe (1809-1849) auseinandersetzt: „Tales of Mystery and Imagination", erschienen 1976 als Debutalbum der Band. Ergänzt wurde das Jahre später durch eine CD mit bis dahin unveröffentlichten Songs, Titel: „Eric Woolfson Sings the Alan Parsons Project That Never Was". Poe war bekannt für seine Kriminalgeschichten mit einem Hang zu Horror, Groteske und grauenhaften Vorstellungen, z. B. lebendig begraben zu werden (wie in der Geschichte vom Untergang des Hauses Usher („The Fall of the House of Usher", Titel 6-10 auf dem genannten Album). Inspiriert wurde Woolfson darüber hinaus durch Alfred-Hitchcock-Filme, welche damals in den Kinos die Massen anzogen. Zu den Musikern auf diesem Album gehören u.a. Arthur Brown, den wir noch von „The Crazy World Of Arhur Brown" mit seinem Hit „Fire" (1968) kennen und Terence (Terry) Sylvester, der bei den „Hollies“ beispielsweise den Titel „He Ain't Heavy He's My Brother" gesungen hatte.
1976 - glaubte man damals nicht alles zu kennen, was auf dem Sektor moderner Musik möglich ist? Alan Parsons Project belehrte uns eines besseren - den Namen musste man sich merken! So sorgte das Debutalbum der Band wahrhaftig für eine Überraschung, als man es das erste Mal hörte. Das war keine Platte, die zum Tanzen anregt, sondern eine, die man zu Hause auflegt, um sich anschließend im Sessel zurückzulegen, die Augen zu schließen und sich allein diesen Klängen hinzugeben, die den Hörer von Rock und Pop bis zu Orchesterklängen quer durch die Musik führen. Auch ohne genau zu wissen, um was es geht, vermitteln einzelne Sequenzen tatsächlich eine Ahnung von Poes Schauergeschichten. Das war unglaublich - Alan Parsons Project gelang es, selbst die von Pink Floyd und anderen Formationen verwöhnten Hörer in den Bann zu ziehen! Apropos Pink Floyd - eigentlich hätte Parsons auch deren Album „Wish You Were Here" im Studio bearbeiten sollen, was dieser aber abgelehnt hatte, um das eigene Projekt durchzuziehen. Schon ein Jahr später, 1977, folgte mit „I Robot" das nächste Album. Wie der Titel vermuten lässt, geht es hier um Science-Fiction, inspiriert vom russisch-amerikanischen Autor Isaac Asimov (1920-1992).
Aus rechtlichen Gründen ließ Alan Parsons gegenüber dem Original (,„I, Robot") lediglich das Komma weg. Inhaltlich geht es um die Vorherrschaft der Maschine gegenüber den Menschen, was mit der Erfindung des Rades begann und mit dem Bau von Robotern als Ebenbild des Menschen seinen Höhepunkt erreicht. Passend dazu gestaltete eine Pariser Agentur das Klappcover in Form einer Collage vor dem Hintergrund von Rolltreppen des Pariser Flughafens mit dem Kopf eines Roboters. Die darauf zu sehenden Personen sind verschiedenen Angaben zufolge nicht etwa die beteiligten Musiker, sondern sollen Angestellte der Werbeagentur sein.
Das (Konzept-)Album „Pyramid" stellte 1978 einen passenden Anschluss an die bisherigen Projekte dar. Mit dem Themenfeld Pyramide, speziell jene von Gizeh, hatten Parsons und Woolfson abermals etwas gefunden, das auf viele Menschen eine besondere Faszination ausübt. Dabei spielte es eigentlich keine Rolle, ob man beim Hören tatsächlich die Grabstätten der Pharaonen vor Augen hat oder nicht, wichtig war allein die Musik, die Klangvariationen, die bei (möglichst) geschlossenen Augen für kurze Zeit von den Problemen des Alltags ablenken können.
Die Ideen der beiden Musiker schienen unerschöpflich zu sein – so folgte 1979 ein Album, das man durchaus als (weiteren) Höhepunkt bezeichnen könnte: „Eve.
Ok, es gab (wie immer) auch Stimmen, die das kritischer betrachteten, dennoch soll es laut dem „Billboard Magazine’ allein hierzulande in den ersten Wochen über 400.000 Mal verkauft worden sein. Inhaltlich geht es hier speziell um Frauen und ihre Probleme, auch in der Männerwelt.
„I’d Rather Be a Man“ („Lieber wäre ich ein Mann“) - lautet einer der Titel eines Liedes (oha!).
Zumindest einen Song dieses Albums müsste eigentlich jeder schon mal gehört haben; es ist der Titel „Lucifer", denn er wurde als Erkennungsmelodie für das Politmagazin „Monitor“ vom WDR-Fernsehen ausgewählt. Zu den Musikern die an diesem Album beteiligt waren, gehört u.a. das Orchester der Münchener Kammeroper (erstaunlich!), dirigiert von Eberhard Schoener, der in den siebziger Jahren mit dem Moog Synthesizer experimentierte und sich um die Verbindung von Klassik und Rock bemühte. Wer das Album besitzt, sollte sich das Cover einmal genau betrachten, das zwei verschleierte Frauen zeigt. Aber ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass hinter dem Schleier Narben zu sehen sind? Symbolhaft für das, was das Album aussagen möchte.
Mit dem nächsten Album „The Turn of a Friendly Card" von 1980 fand Alan Parsons Project einen würdigen Anschluss. Das Coverbild erinnert bei schnellem Hinsehen an ein Kirchenfenster, bei genauerer Betrachtung erkennt man jedoch eine Spielkarte darin. Und wie eigentlich schon der Titel aussagt, geht es genau darum, um Glücksspiele und Auswirkungen der Spielsucht: „No, the game never ends when your whole world depends" - „Nein, das Spiel endet nie, wenn deine ganze Welt davon abhängt" (aus dem Titelsong). In dem melodiösen fünfminütigen Lied „Time hören wir übrigens erstmalig Eric Woolfson als Leadsänger.
Erst nach einjähriger Pause, also vor nun mehr auch schon über 40 Jahren, schließt sich dann das Album „Eye In The Sky" an (1982) - „Das Auge im Himmel". Wie der Titel vermuten lässt, geht es um Spionage und eine zunehmende Überwachung durch Kameras und Satelliten. Auch hier ist Woolfson wieder als Leadsänger gleich beim Titelsong beteiligt. Zwar ist der Musikgeschmack nicht für alle gleich, aber wer Alan Parsons Project von Anfang an verfolgt hat, vermisst hier möglicherweise gewisse Passagen, wie sie noch die ersten Alben auszeichnen, so dass ein durchgängiges Hören schwerfallen kann - obwohl die Songs eindeutig Alan Parsons zugeordnet werden können.
Im Folgejahr erschien parallel zum Album „Ammonia Avenue" auch die erste Best-Of-LP der Formation. Weitere Alben folgten in nun etwas größeren Abständen.
Der Gitarrist lan Bairnson, ein gebürtiger Schotte, gehört zu den Musikern, die der Formation mit am längsten angehörten.
Ihn hören wir ebenfalls auf den ersten vier Alben von Ausnahmesängerin Kate Bush.
Während Woolfson, der einst auch Manager von Carl Douglas mit seinem Hit „Kung Fu Fighting" war, seit 2009 nicht mehr unter den Lebenden weilt, hat Alan Parsons die 70 weit überschritten und produzierte erst 2019 noch ein weiteres Studioalbum („The Secret“).
Interessant zu wissen ist vielleicht noch, dass neben zahlreichen Musikern auch John Miles (bekannt durch seinen Hit „Music’) als Sänger bei Alan Parsons in Erscheinung trat. Am Ende sind es die hier beschriebenen ersten Werke des „Projektes“ der beiden Musiker, die sich vom so genannten Mainstream abheben und zu Highlights ihrer Zeit wurden.