(Kerner, Justinus, Hrsg.). Blätter aus Prevorst. Originalien und Lesefrüchte für Freunde des inneren Lebens mitgetheilt von dem Herausgeber der Seherin aus Prevorst. Zweite (und) dritte Sammlung in 2 Bänden. Karlsruhe, Gottlieb Braun 1832. Kl.-8°. [2] Bl., 196 S., [2] Bl.; [2] Bl., 197 S., [1] Bl. Typogr. OBr.
Goed. VIII, 208, 53. Hirsch/Hüb. III, 509. Du Prel 690. – Zweiter Jahrgang der sehr seltenen Zeitschrift. Bis 1839 erschienen insgesamt 12 Sammlungen. – Die Mehrzahl der Beiträge stammt von Justinus Kerner, weitere Mitarbeiter waren Franz v. Baader, Eschenmayer, Lenau, H. H. v. Schubert u. a. – „Entgegen einem verbreiteten Vorurteil waren die von der Romantik geprägten Ärzte und Naturforscher keineswegs nur Schwärmer und Naturmystiker, welche die Entwicklung der (natur)wissenschaftlichen Medizin blokkiert hätten. Gerade die spekulative Naturphilosophie beflügelte ihre vielfältigen und durchaus zukunftsweisenden Experimente – man denke nur an die galvanischen Studien des Physikers Johann Wilhelm Ritter im Kreis der Jenaer Romantiker um 1800. … Im frühen 19. Jahrhundert galt der Mesmerismus im Sinne der romantischen Naturphilosophie als ein zentrales Konzept für Ärzte und Naturforscher, die vor allem von den psychischen Phänomenen des „Somnambulismus“ fasziniert waren. Ab November 1826 behandelte Kerner, der ab 1819 als Oberamtsarzt in Weinsberg fungierte, die damals 25-jährige schwer kranke Friederike Hauffe aus dem Dorf Prevorst bei Löwenstein, die – „ein Bild des Todes, völlig verzehrt, sich zu heben und zu legen unfähig“ – an täglichen Dämmerzuständen litt, in denen sie „Geister“ sah. Nach einigen Monaten wurde sie in den Kernerschen Haushalt aufgenommen, wo sie bis kurz vor ihrem Tod im August 1829 lebte und von der ganzen Familie gepflegt wurde. … Er begriff die Seherin durchgehend als Schwerkranke, ja Todkranke. Gerade im Lichte moderner Psychotherapie und Psychoanalyse erstaunt uns heute seine intuitive Sicherheit, mit der er die Nähe der Patientin suchte und zugleich Distanz zu ihr einhielt – ohne sich „anstecken“ zu lassen und selbst ihrem Geistersehen zu verfallen. Dies gilt auch für seine intensive Auseinandersetzung mit dem „Besessenseyn“ („kakodämonisch-magnetischen Zuständen“) und dem „Tischrücken“ als neuem Ausdruck spiritistischen Geisterglaubens um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Kerner verfügte über selbstanalytische Fähigkeiten und Erfahrungen, die ihm trotz eigener melancholischer Seelenzustände eine erstaunliche „Ich-Stärke“ (Freud) ermöglichten. Diese äußerte sich nicht zuletzt in seiner charakteristischen Selbstironie, wie sie zum Beispiel in den erst 1890 publizierten „Kleksographien“ zum Ausdruck kommt, die den psychologischen Projektionstest nach Rorschach antizipierten (Abbildung 3). Auch in seinem medizinischen Werk spielte die Dichtkunst, gewissermaßen die Magie der Sprache, für Kerner immer eine wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Rolle. War er ein Genie?“ (Heinz Schott in Deutsches Ärzteblatt, 100, A 173-176, Heft 4, 2003). – Rücken fachgerecht restauriert, Deckel etwas angestaubt und fleckig, stellenweise etwas braunfleckig, gute unbeschnittene Exemplare.
Gute Ware
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